Lebendige Geschichten

© Anna Hawliczek

„Was ich am Drehbuchschreiben so herausfordernd und spannend finde, ist, dass man weniger in das Innere vordringt, sondern das Außen beschreibt. Durch das Außen wird das Innen gezeigt und in Bildern erzählt.“

Drehbuchautorin und Literatin Jessica Lind im Portrait.

Das Erzählen hat in Jessica Linds Familie Tradition: „Bei Picknicks zum Beispiel hat meine Mutter eine Geschichte begonnen und meine drei Schwestern und ich haben sie dann gemeinsam weitererzählt. Das Fabulieren, das Erzählen von Geschichten wurde von meinen Eltern immer gefördert.“ Diese Tradition hat die 27-jährige Niederösterreicherin Jessica Lind nun zu ihrem Beruf gemacht und ist sowohl als Autorin literarischer Texte als auch als Drehbuchautorin erfolgreich.

Schon als Teenager verfasste Jessica Lind erste literarische Texte und ab dem Alter von 18 Jahren nahm sie an Wettbewerben und Poetry Slams teil. Parallel zu ihrer literarischen Tätigkeit entdeckte sie auch die Liebe zum Film und dachte ursprünglich daran, Regisseurin zu werden. „Doch die Verbindung von Schreiben und Film hat mich am meisten gereizt, deswegen habe ich mich damals auch an der Filmakademie beworben“, erzählt sie. Beim ersten Anlauf hat es nicht geklappt und Jessica Lind absolvierte ein Studium der Medientechnik und arbeitete weiter an ihrer literarischen Karriere. So war sie etwa 2010 Gewinnerin des Ö1 Literaturwettbewerbes „Wörter.See“ und erhielt 2009/10 das Hans Weigel Literaturstipendium.

Innen und außen

Seit 2011 studiert sie nun Drehbuch an der Filmakademie Wien bei Götz Spielmann, schloss 2014 ihr Bachelorstudium ab und ist derzeit im Masterstudium. „Was ich am Drehbuchschreiben so herausfordernd und spannend finde, ist, dass man weniger in das Innere vordringt, sondern das Außen beschreibt. Durch das Außen wird das Innen gezeigt und in Bildern erzählt“, so die junge Drehbuchautorin und Literatin. In einem Filmdrehbuch sieht sie auch ein Werk, das mit der Fertigstellung noch nicht abgeschlossen ist: „Das Drehbuch alleine ist noch kein Film. Erst mit der Regie, mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, dem Licht, der Kamera, den Kostümen oder dem Schnitt wird eine Geschichte lebendig.“

Gefragt danach, was ein gutes Drehbuch für sie ausmache, erklärt Jessica Lind, eines das halte, was es zu Beginn verspräche: „Wenn ich das Gefühl habe, dass der Film das Versprechen, das er am Anfang gegeben hat – mit der Welt, in die er mich hineinzieht und mit der Geschichte, die er mir erzählt – hält und stimmig war, dann ist das für mich ein gutes Drehbuch.“

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Filmstill aus „Der Besuch der kleinen Dame“, Regie: Jessica Lind

Blick in die Zukunft

Solch ein gutes Drehbuch hat auch die Autorin selbst schon verfasst: Vom Fliegen der Pinguine heißt das Buch zu ihrem ersten Abendfüllenden Spielfilm – gleichzeitig ausgezeichnete Bachelor-Abschlussarbeit an der Filmakademie Wien. Das Drehbuch soll bald in Zusammenarbeit mit der Allegro Film und dem Regisseur Umut Dağ verfilmt werden. Es ist eines von mehreren Projekten, das Jessica Lind in den nächsten Monaten beschäftigen wird. Denn nachdem sie im November 2015 den renommierten „Open-Mike“-Nachwuchsautorenpreis gewonnen und am ORFIII Writer in Residence-Programm teilgenommen hat (Mentor: Bernhard Aichner), stehen ihr auch als Literatin die Türen offen. Wenn die Arbeit an Vom Fliegen der Pinguine abgeschlossen ist, möchte sie sich für einige Zeit ihrem ersten Buch widmen. So ist Jessica Lind auf dem besten Weg dazu, sich ihren künstlerischen Herzenswunsch zu erfüllen: „In Zukunft möchte ich gerne weiterhin beides machen können, an literarischen Texten arbeiten ebenso wie Drehbücher verfassen.“

 

Text: Doris Piller
Der Artikel ist in der Kunsträume Ausgabe #1-2016 erschienen.