„Als Regisseurin interessiert mich alles, was das Menschsein ausmacht.“

(c) Sammy Hart

In den 1990er-Jahren studierte Barbara Albert Regie und Drehbuch an der Filmakademie Wien. Mit ihrem Abschlussfilm und Langfilmdebüt Nordrand (1999) feierte sie die Weltpremiere bei den Filmfestspielen in Venedig und erlangte internationale Bekanntheit. Seitdem ist sie als Regisseurin, Produzentin und Drehbuchautorin an vielen namhaften Projekten beteiligt. Im Oktober 2023 ist Albert als Regie-Professorin an die Filmakademie Wien zurückgekehrt. Ein Gespräch über ihren Unterricht, ihre Erwartungen an den Austausch mit den Studierenden und warum jetzt der richtige Zeitpunkt für ihre Rückkehr ist.

Was planen Sie für Ihren Unterricht an der Filmakademie Wien?

Barbara Albert (BA): Um bestmöglich arbeiten zu können, bedarf es eines Wissens um die eigene Person als Künstler*in, als Filmemacher*in und über die eigenen Arbeitsprozesse und Fähigkeiten. In meinem Unterricht möchte ich die Studierenden deshalb darin unterstützen, dieses Wissen zu erarbeiten. Zu Beginn des Filmemachens ist die Hauptaufgabe herauszufinden, wo ich bei meiner Vision bleiben, vielleicht sogar für diese kämpfen muss, und wo ich etwas von meinen Kolleg*innen annehmen kann und sollte, weil es uns gemeinsam weiterbringt. In meinem Unterricht geht es deshalb um die Balance zwischen individueller Lehre, in der ich Studierende mit ihren Projekten unterstützen möchte, und der Vermittlung des Verständnisses für Teamarbeit.
Was mir grundsätzlich sehr wichtig ist, ist die interdisziplinäre Arbeit zwischen den einzelnen Fachbereichen. Denn Film ist Teamarbeit! Man kann nicht früh genug üben, sich wirklich künstlerisch mit den Menschen, mit denen man einen gemeinsamen Film macht, auseinanderzusetzen.

Wird es daher auch eine Zusammenarbeit mit anderen Instituten der mdw geben?

BA: Ich plane auch Synergien mit anderen Instituten der mdw. Ich möchte unbedingt die Zusammenarbeit mit dem Max Reinhardt Seminar suchen. Ich komme von der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Dort gibt es einen eigenen Studiengang „Schauspiel“, der eingebunden ist in die Filmuniversität. Ich bin mir sicher, dass das auch in Wien möglich sein kann, wenn das Max Reinhardt Seminar das auch möchte. Genauso wichtig ist mir auch die Zusammenarbeit mit den Komponist*innen, Musiker*innen und Tonmeister*innen des Hauses. Das ist ein wahnsinniger Vorteil hier in Wien, denn der Ton und die Musik sind Dinge, die stark mit dem Filmemachen verbunden sind.

Was erwarten Sie sich vom Austausch mit den Studierenden?

BA: Ich erwarte mir nach einer Zeit des Kennenlernens eine gegenseitige Offenheit, um Vertrauen zu schaffen. Ich glaube etwas preiszugeben gehört zu unserem Beruf dazu, weil wir mit Menschen arbeiten – aber in unserer Arbeit auch die Menschen suchen. Und sehr oft in die Tiefe gehen oder in emotionale Ausnahmezustände tauchen. Als Regisseurin interessiert mich alles, was das Menschsein ausmacht, und deswegen sollte man auch darüber sprechen können, was man empfindet. Wenn du selbst etwas preisgibst, bekommst du etwas und ermöglichst anderen sich zu öffnen. Das ist gerade in der Zusammenarbeit mit Schauspieler*innen sehr wichtig.

Warum kehren Sie gerade jetzt als Lehrende an die Filmakademie Wien zurück?

BA: Bevor ich nach Berlin gegangen bin, war mein letzter richtig österreichischer Film Fallen (2006). Ein Film mit österreichischen Motiven, mit österreichischen Schauspieler*innen, die ich sehr bewundere und für die ich das Drehbuch geschrieben habe. Der Film ist entstanden, bevor ich nach Deutschland gegangen bin. Familiär bin ich sowohl österreichisch als auch deutsch geprägt. Mein neuester Film Die Mittagsfrau, der im Oktober in den österreichischen Kinos angelaufen ist, behandelt ein ganz deutsches Thema. Nach den dreizehn Jahren in Deutschland und zehn Jahren Unterricht in Babelsberg habe ich einen Film gemacht, der bezeichnend ist für meine deutschen Jahre. Nachdem die Arbeit an dem Film beendet war, hatte ich das Bedürfnis, wieder meinen Wurzeln näher zu kommen, natürlich auch erzählerisch. Außerdem inspiriert mich die Arbeit mit jungen Menschen. Wir leben in einer spannenden Umbruchszeit, in einer Zeit, in der die Demokratie zu sehr hinterfragt wird, teilweise gefährdet ist und an unseren Grenzen, den Grenzen Europas, Gewalt herrscht. Damit müssen wir umgehen. Das sind Herausforderungen, die wir in unseren Filmen aufgreifen, manche bewusster und manche unbewusster. Deswegen merk ich, dass mich junge Menschen, die einen frischeren Blick haben und offener sind für andere Erzählformen, interessieren.

Interview: Clementine Engler
Der Text ist im mdw Magazin Dezember 23/Januar 24 erschienen.