Performing Translation

Performing Translation. Film ist Translation.
Eine Untersuchung im Feld von Intimität.

Ein Forschungsprojekt an der Filmakademie Wien widmete sich der Frage nach dem Intimen im Kontext künstlerischer Praxis. Konzipiert wurde das Projekt von Claudia Walkensteiner-Preschl, Kerstin Parth und Alexander Mahler. Ihr Ziel war es, die Produktion von intimen Momenten in einem filmischen Forschungslabor inter- und transdisziplinär zu erkunden und damit die Bedingungen zu erforschen, in denen Intimität in das filmische Bewegtbild übersetzt wird.

Die Forschungstätigkeit stützte sich dabei nicht etwa auf eine Definition von Intimität, sondern vielmehr auf eine Bandbreite an möglichen Deutungen, wie sie sowohl in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen als auch in populär-kulturellen Kontexten diskutiert werden. Darunter beispielsweise Lynn Jamiesons Konzept der „disclosing intimacy“, Niklas Luhmanns Ansatz von Intimität als soziale, in kommunikativer Interaktion entstehende Beziehungsform sowie Felicitas Pommerenings Ausführungen zur „Dramatisierung von Innenwelten“.

Die Vielfalt möglicher Definitionen des Begriffs der Intimität sollte insbesondere im Kontext künstlerischer Forschung fruchtbar gemacht werden. Aus diesem Grund wurde von 18.-19. Juni 2015 ein Workshop mit etablierten FilmemacherInnen und FilmwissenschaftlerInnen veranstaltet, um die Studierenden der Filmakademie an Fragestellungen des Forschungsprojekts heranzuführen. Die während des Workshops erarbeiteten theoretischen Zugänge und Überlegungen sollten im Anschluss daran in einem FILM LAB, das im September und Oktober 2015 stattfand, in die individuelle künstlerische Arbeit der Studierenden einfließen.

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Foto: Filmakademie Wien/Ewald Grabenbauer

Im Zentrum des Workshops standen ästhetische, kulturhistorische und soziokulturelle Überlegungen. Ziel war es, die Studierenden für Verbindungslinien zwischen künstlerischen Positionen und theoretisch-reflexiven Ansätzen zu sensibilisieren. Der Dialog zwischen filmpraktischen und filmtheoretischen Perspektiven wurde jeweils mit einem einführenden filmwissenschaftlichen Vortrag eröffnet. Die Veranstaltung startete mit einem Beitrag von Thomas Morsch zum Thema „Falsche Intimitäten. Überlegungen zu einigen Aspekten von Intimität auf, vor und jenseits der Leinwand“. Im Anschluss daran diskutierten Sandra Bohle, Hubert Canaval, Thomas Morsch und Götz Spielmann unter der Moderation von Claudia Walkensteiner-Preschl über die Vermittlung von Intimität in der filmischen Praxis. In der zweiten Diskussionsrunde sprachen Katja Dor-Helmer, Rainer Frimmel, Gabriella Reisinger und Kathrin Resetarits zum Thema „Intimität, Bewegung, Licht und Raum“. Der zweite Tag des Workshops wurde mit einem filmwissenschaftlichen Vortrag von Gertrud Koch mit dem Titel „Filmische Intimität. Zwischen Stimmung und Indiskretion“ eingeleitet. In der dritten Diskussionsrunde stand „Inszenierung und Darstellung“ im Mittelpunkt. Michael Haneke, Getrud Koch, Elfi Mikesch, Wolfgang Murenberger und Markus Schleinzer diskutierten. In der vierten und letzten Podiumsdiskussion sprachen Bettina Böhler, Michael Hudecek, Bernhard Schmid und Wolfgang Widerhofer über „Montage, Schnitt und Rhythmus“.

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Foto: Filmakademie Wien/Ewald Grabenbauer

Im FILM LAB stand die konkrete künstlerische Forschungsarbeit der Studierenden im Zentrum. Ziel war die Herstellung intimer Momente im Film mittels unterschiedlicher filmischer Mittel und Herangehensweisen. Für die Studierenden ergab sich ein breites Feld an Möglichkeiten, unterschiedliche Forschungsansätze mit eigenen Perspektiven auf das Phänomen der Intimität zu verknüpfen und in die Projekte einfließen zu lassen. Hierfür wurde ein Aktionsrahmen geschaffen, der filmische Experimente ebenso vorsah wie die Möglichkeit eines produktiven Scheiterns. Darüber hinaus konnte im FILM LAB eine neue künstlerisch-wissenschaftliche Arbeitsmethode entwickelt werden. Mit dem Bestreben, die Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft auszuloten, sollte untersucht werden, inwiefern ein theoretisches Wissen für die künstlerische Praxis von Nutzen sein kann. Die teilnehmenden Studierenden (Clara Stern, Achmed Abdel-Salam, Jessica Lind, Yana Eresina, Torsten Büsing, Maria Luz Olivares Capelle, Aleksey Lapin) wurden während des FILM LABs von Lehrenden der Filmakademie Wien, externen ExpertInnen sowie WiessenschaftlerInnen unterstützt. Tizza Covi und Nina Kusturica begleiteten die einzelnen Projekte von der Idee über die Realisation bis hin zur Fertigstellung im Schnittraum. Thu-Huong Huynh, Florian Apfel und Anna Neuwirth unterstützen die Studierenden von wissenschaftlicher Seite.

Aufgrund der im Forschungsprojekt „Performing Translation“ gewählten interdisziplinären Arbeitsweise an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft wurde das Thema Intimität nicht nur aus einer theoretisch-reflexiven Perspektive bearbeitet. Eine Auseinandersetzung mit Fragen der Produktion von Intimität im Film konnte ebenso über die künstlerische Arbeit im Filmlabor geschehen. Die Filmprojekte, die während des FILM LABs entstanden sind, sowie die Erfahrungen der TeilnehmerInnen bestätigen das Surplus einer Verschränkung wissenschaftlicher und künstlerischer Forschungsansätze. Insbesondere die Worte des Teilnehmers Achmed Abdel-Salam bringen diesen Gedanken zusammenfassend zum Ausdruck:

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Foto: Filmakademie Wien/Ewald Grabenbauer

„[Mich hat] das Filmlabor Intimität darin bestärkt, auch in Zukunft Experimente zu wagen. Die Angst vor dem Scheitern vielleicht mehr zur Seite zu schieben. Und mir vor Augen geführt, dass etwas Spannendes entstehen kann, wenn man gemeinsam Energien freisetzt, offenbleibt und mit ehrlicher Neugier forscht. Sich auch mal auf etwas einlässt, ohne genau zu wissen, wo es einen hinführt.“

Zeitraum: 2014-2015
Projektteam: Claudia Walkensteiner-Preschl, Kerstin Parth, Alexander Mahler, Ilona Toller

Die entstandenen Filme sowie ein ausführlicher Projektbericht sind im Research Catalogue online publiziert.

Performing Translation. Ein Projekt der mdw: https://performingtranslation.wordpress.com/