FRAUEN AN DER FILMAKADEMIE WIEN

Still aus FLORA (Jessica Hausner)

Filmwissenschaftliches Archivprojekt zu filmischen Arbeiten  weiblicher Studierender an der Filmakademie Wien

gefördert durch den Gender/Queer/Diversität Call_mdw 2018

Noch immer sind weibliche Filmschaffende und deren filmische Arbeiten in der öffentlichen Diskussion unterrepräsentiert, obwohl weibliche Filmschaffende nahezu 50% der Studierenden an der Wiener Filmakademie ausmachen.

Das Forschungsprojekt Frauen an der Filmakademie Wien widmet sich dem Thema der Repräsentation und Verbreitung des Schaffens von weiblichen Filmemacherinnen aus einer historischen Perspektive.

Christina Wintersteiger und Barbara Wolfram, Filmwissenschaft-Dissertantinnen an der Filmakademie Wien, machen es sich in diesem Forschungsprojekt zur Aufgabe, einerseits eine Bestandsanalyse der weiblichen Studierenden an der Filmakademie Wien durch Archivrecherche der Inskriptions- und Studiendaten der letzten Jahrzehnte zu machen und andererseits filmische Arbeiten aus verschiedenen Zeiten der Filmakademie zu sichten und der Öffentlichkeit in Filmscreenings zu präsentieren.

Begleitet wird das Sichten und Zeigen der filmischen Arbeiten durch Gespräche und Diskussionen mit den Filmemacherinnen. Retrospektiv schauen die Forscherinnen und Filmschaffende auf ihre künstlerischen Arbeiten, ihre Zeit an der Filmakademie Wien, die Entstehungskontexte der filmischen Arbeiten und ihren weiteren Karriereweg zurück und versuchen ein subjektives Bild der Studienzeit an der Akademie in Relation zu ihrem derzeitigen Schaffen als Filmemacherinnen zu zeichnen.

Details

Forschungsschwerpunkt |historische Filmwissenschaft, Archivforschung, Produktionsbedingungen an Filmhochschulen

Projektleitung | Christina Wintersteiger, Barbara Wolfram

Projektteam | Christina Wintersteiger, Barbara Wolfram, Claudia Walkensteiner-Preschl

Filmschaffende Auftakt | Jessica Hausner, Nina Kusturica, Ruth Mader, Mirjam Unger

Laufzeit | Beginn Oktober 2018 | Auftakt Screening 14. März 2019 Stadtkino Wien

Finanzierung | Gender/Queer/Diversität Call/ mdw 2018

Schlagworte | weibliche Filmschaffende, Filmhochschule, Archivmaterial, Oral History, Filmgeschichte als Medienarchäologie

Ablauf

Nach einer halbjährigen Periode des Recherchierens und Sichtens von diversem Filmmaterial in analoger und digitalisierter Form, sowie Nachlass Recherchen, wurde ein Auftaktschwerpunkt auf die filmisch äußert fruchtbaren 90er Jahre an der Filmakademie Wien gelegt.
Die 90er werden als die „nouvelle vague viennoise“ bezeichnet mit Vertreterinnen wie Barbara Albert, Jessica Hausner, Kathrin Resetarits, Ruth Mader, Mirjam Unger und Nina Kusturica.

Beim Auftaktscreening am 14. März 2019 wurden nachfolgende Filme im Stadtkino Wien gezeigt, begleitet von einem Werkstattgespräch mit Nina Kusturica, Ruth Mader und Mirjam Unger. Das Gespräch wurde vom Projektteam Christina Wintersteiger und Barbara Wolfram geführt.

FLORA (Jessica Hausner, 1996, 25 min)

GFRASTA (Ruth Mader, 1998, 11 min)

WISHES (Nina Kusturica, 1999, 22 min)

MEHR ODER WENIGER (Mirjam Unger, 1999, 18 min)

Christina Wintersteiger, Mirjam Unger, Nina Kusturica, Ruth Mader, Barbara Wolfram (v.l.n.r.)
Screening im Stadtkino Wien, 14. März 2019

Details zu den ausgewählten Filmen:

FLORA
Regie: Jessica Hausner, AT 1995, 25 min

Die Titelheldin wird erwachsen. Zurücksetzungen, Tanzschule, ein Kino der Blicke, zarten Momente, trivialen Schlager, das sich Zeit nimmt, genau hinschaut und für Einsamkeit und Ausbruchsversuche immer wieder sinnfällige Bilderfolgen (er-)findet. Einmal besucht Flora mit ihrem schüchternen Verehrer einen Boxkampf, und das gerät auf schlichte Weise atmosphärisch, ganz unspektakulär. John F. Kutil sticht heraus als jugendlicher Vorstadtcasanova, wie man ihn sich nur wünschen kann. (Christian Cargnelli, Viennale Katalog)

Während Jessica Hausners Regiesstudiums entstand ihr Kurzfilm Flora, der 1996 bei den Filmfestspielen in Locarno mit dem „Leopard von morgen“ prämiert wurde. Ihr nächster Film Inter-View wurde 1999 auf der Cinéfondation in Cannes ausgezeichnet – im selben Jahr gründete die Filmemacherin zusammen mit den ehemaligen Filmakademie Wien-KollegInnen Barbara Albert, Antonin Svoboda und Martin Gschlacht die Produktionsfirma coop99. Ihre nachfolgenden Langfilme wurden u.a. bei der renommierten Festivalsschiene Un Certain Regard. Ihr aktuellster Film „Little Joe“ wird im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2019 seine Premiere feiern.

GFRASTA
Regie: Ruth Mader, AT 1998, 11 min

„Ich bin 13 Jahre alt, ich hab‘ eine Schwester, die was behindert ist, sie ist vier Jahre jünger als ich; meine Mutter is‘ sauschiach, und mein Vater is‘ a Volltrottel, verstanden?“ Vier Mädchen in einer Siedlung am Rand von Wien. Ein Nachmittag ist lang. Besonders für Manuela. (Viennale Katalog)

Ruth Mader studierte Regie an der Filmakademie Wien und ist erfolgreiche Regisseurin. Der Kurzfilm Gfrasta entstand im Zuge ihres Studiums und gewann 1999 den Max Ophüls Preis für den besten Kurzfilm. Maders Filme liefen u.a. in Cannes (Null Defizit und Struggle) oder bei der Berlinale (What is Love), ihr Film Life Guidance wurde 2017 in die Sektion Giornate degli Autori der Filmfestspiele in Venedig eingeladen.

WISHES
Regie: Nina Kusturica, AT 1999, 22 min


Welche Hoffnungen und Träume begleiten diese acht Menschen auf ihrer Flucht in den Westen? Mit einem Schuss Fantasie und Surrealismus nimmt „Wishes“ die Spannung aus einer brenzligen Situation und entlässt seine ProtagonistInnen wohlbehalten in eine farbenfrohe neue Welt, wenn Opern-Arien im Lastwagen des Schleppers erklingen, zarte Küsse hinter dem Hühnerkäfig ausgetauscht werden und die Ankunft im Wiener Prater ausgelassen gefeiert wird. (Pressetext)

Nina Kusturica studierte Regie und Schnitt an der Filmakademie Wien. Ihr Diplomfilm Auswege feierte seine Premiere bei der Berlinale und eröffnete 2003 die Diagonale. Weitere Werke wie der Dokumentarfilm Little Alien oder ihr an der Filmakademie Wien entstandener Kurzfilm Wishes waren bei zahlreichen Festivals zu sehen, u.a. beim Filmfestival Max Ophüls Preis, in Rotterdam, Mar del Plata oder Leeds. Ihr aktueller Film Ciao Chérie war zuletzt bei der Diagonale und den Internationalen Hofer Filmtagen zu sehen.

MEHR ODER WENIGER
Regie: Mirjam Unger, AT 1999, 18 min


Sie ist Telefonistin, er Fahrer. Am Abend treffen ihre Zeiten in der gemeinsamen Wohnung wieder aufeinander. Comixlesen, Sex. Er schaut fern (Fußball), sie geht in die Badewanne. Unentschlossen probieren sie andere Möglichkeiten, Gesten, Stylings aus. Die Handgriffe bei den Frühstücksvorbereitungen sind gut aufeinander eingespielt. In nur 18 Minuten nimmt sich der Film viel Zeit, Abläufe in ihrer Dauer und Wiederholung zu zeigen. Alles ist immer gleich und dann doch auch anders. Das ist ein Film, den man mindestens zweimal hintereinander sehen sollte, damit die Erwartung nach einer narrativen Entwicklung und/oder Pointe gar nicht erst aufkommt und man sich auf die subtilen Details konzentrieren kann, die eine „gute“ Beziehung (und den „Beziehungsfilm“) skizzieren und dekonstruieren. Der Film operiert nicht nach außen wie Speak Easy, sondern implodiert in kleinen, genauen Gesten und Fluchten. (Birgit Flos, sixpackfilm)

Mirjam Unger realisierte den Kurzfilm Mehr oder weniger im Rahmen ihres Regiestudiums an der Filmakademie Wien. Zu den Festivalerfolgen des Films zählen Teilnahmen bei u.a. der Diagonale, in Rotterdam oder beim Premiers Plans in Angers. Nach ihrem Studium folgten sehr erfolgreiche Filme wie Ternitz, Tennessee, Vienna’s Lost Daughters, Oh Yeah, She Performs! oder zuletzt Maikäfer flieg!