Das Filmarchiv Austria widmet Regie-Professorin Barbara Albert von 20. Januar bis 26. Februar 2024 eine Retrospektive. Neben sämtlichen Kinofilmen von Barbara Albert als Regisseurin ist eine Auswahl ihrer Arbeiten als Drehbuchautorin und Produzentin zu sehen. Eine Carte blanche mit für sie besonders prägenden Filmen rundet das Programm ab.
Barbara Albert zählt zu den international renommiertesten österreichischen FilmemacherInnen. Schon mit ihren ersten Kurzfilmen macht sie von sich reden, ihr Spielfilmdebüt Nordrand wird auf unzähligen internationalen Festivals ausgezeichnet und zur Vorlage für eine neue (und weibliche) Generation im heimischen Filmschaffen. Seither hat sie sich als eine der wesentlichen Stimmen im europäischen Kino etabliert: Als Autorin, Produzentin, Regisseurin – und inzwischen auch Professorin an der Filmakademie Wien – beweist sie in ihrer von starken Frauenfiguren und Sozialrealismus geprägten Arbeit seit mittlerweile über drei Jahrzehnten eine ungebrochene Neugierde und Experimentierfreudigkeit.
1970, das Jahr in dem Bruno Kreisky Bundeskanzler wird, ist auch das Geburtsjahr von Barbara Albert. Ihre Eltern sind zwar Akademiker, trotzdem wächst sie am Stadtrand Wiens in einem Genossenschaftsbau auf. Eigentlich will sie Schriftstellerin werden, beginnt dann aber 1991 ein Regie- und Drehbuchstudium an der Filmakademie. In diese Zeit fällt nicht nur ihre Kino-Sozialisation mit Filmen von Aki Kaurismäki oder Jane Campion, sondern auch die Begegnung mit anderen Studierenden, die in den Folgejahren zu wichtigen Wegbegleitern werden: Jessica Hausner, Antonin Svoboda, Christine A. Maier und Kathrin Resetarits – um nur einige von ihnen zu nennen. Obwohl sich ihre künstlerischen Handschriften stark voneinander unterscheiden, werden sie gemeinsam einen Stil definieren, der als »Nouvelle Vague Viennoise« Eingang in die österreichische Filmgeschichtsschreibung findet – Synonym für eine Aufbruchsstimmung am Ende eines Jahrtausends.
Bereits in ihrer nicht einmal zehn Minuten langen Regieübung Nachtschwalben steckt vieles von dem, was später als Markenzeichen für Barbara Alberts Filme gilt: zwei Freundinnen, authentische Sprache, die Disco als Handlungsort für ein poetisches Alltagsdrama. Der Film gewinnt den Max-Ophüls-Preis und setzt die knapp über 20-jährige Filmemacherin quasi über Nacht auf die Landkarte. Sie probiert sich in den folgenden Jahren weiter aus – als Regisseurin, Dokumentaristin oder auch Schnittassistentin bei Richard Linklaters Liebesbrief an Wien, Before Sunrise. Ihr zweiter Kurzfilm Die Frucht deines Leibes feiert 1996 seine Premiere beim Filmfestival in Venedig – wohin sie drei Jahre später mit Nordrand zurückkehrt, dem ersten österreichischen Wettbewerbsbeitrag seit G. W. Pabsts Der Prozess (1948!).
Ist Nordrand noch weitgehend einem realistischen Erzählen verpflichtet, lotet der nächste Film Böse Zellen, mit eigener Produktionsfirma auf die Beine gestellt, einer Versuchsanordnung gleich die Möglichkeiten einer metaphysischen Weltsicht aus. Fallen, ihr dritter Spielfilm über fünf ehemalige Schulfreundinnen, die sich nach vielen Jahren auf einem Begräbnis wiedersehen, scheint auf vielen Ebenen eine erste Bilanz zu ziehen – nicht nur darüber, was es heißt, Mitte 30 zu sein. Seitdem hat Barbara Albert drei weitere Spielfilme realisiert, dabei Höhenflüge und Enttäuschungen erlebt, vor allem aber eines gezeigt: dass von ihr stets etwas Neues zu erwarten ist – und sie sich gerade dabei selbst treu bleibt. (Florian Widegger, Filmarchiv Austria)