Von Befindlichkeiten und Provokationen

© Majestic/Patrick Wally

Der leidenschaftliche Kinogänger und Film- und Fernsehfilmregisseur Wolfgang Murnberger ist seit Oktober 2013 Professor für Regie an der Filmakademie Wien.

Kaum jemand in Österreich kennt nicht „den Brenner“, die von Josef Hader verkörperte Figur des Ermittlers in Wolfgang Murnbergers Filmen Komm süßer Tod (2000), Silentium (2003) und Der Knochenmann (2008). Diese Verfilmungen der Romane des Krimiautors Wolf Haas gehören zu den erfolgreichsten österreichischen Kinofilmen. Dabei war Wolfgang Murnberger sich zu Beginn gar nicht sicher, ob Haas‘ anspruchsvolle Romane überhaupt verfilmbar seien, verfügen sie doch über eine „unglaubliche literarische Qualität die aber schwer mit filmischen Mitteln auszudrücken ist“, wie der Regisseur formuliert. Doch dem Drehbuchtrio Murnberger, Josef Hader und Wolf Haas selbst ist das Kunststück drei Mal gelungen, wovon etliche Auszeichnungen und sehr gute Besucherzahlen Zeugenschaft ablegen.

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Filmstill aus „Der Knochenmann“

Fruchtbare Karriere

Aber Wolfgang Murnberger ist nicht nur durch diese drei überaus erfolgreichen „Brenners“ bekannt. Der frischgebackene Professor an der Filmakademie Wien der mdw – selbst Absolvent in den Fächern Drehbuch, Regie und Schnitt – ist seit über 20 Jahren im Filmgeschäft. Schon sein Abschlussfilm der Filmakademie Himmel oder Hölle (1990) wurde mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet, etwa beim Internationalen Filmfestival in Rotterdam und beim Tokyo International Film Festival. Bald darauf folgte Ich gelobe, die Geschichte eines jungen Mannes beim österreichischen Bundesheer. Ich gelobe ist ein Film den Murnberger selbst als „Befindlichkeitsfilm“ bezeichnet, da er sich weniger durch eine vorwärtstreibende Handlung auszeichnet, sondern vielmehr durch eine sorgfältig konstruierte Schilderung des Befindens des Protagonisten. In der Zwischenzeit ist Murnberger jedoch das Erzählen von Geschichten in seinen Filmen wichtiger geworden. Als Regisseur leitet er deshalb den Zuschauer sehr bewusst durch seine Filme, seine Handlungen. „Ich halte dem Zuschauer eine Karotte als Köder vor die Nase und ziehe ihn daran durch den Film“, schildert er.

Film und Fernsehen

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Am Set von „Brüder“

Fast ebenso lange wie Murnberger Kinofilme macht, ist er auch für das Fernsehen tätig. Zu seiner Fernseharbeit gehören etwa die Brüder-Trilogie (2001, 2003, 2005), der Fernsehfilm Live is Life – Die Spätzünder (2008) und sein Nachfolger Live is Life, 2. Teil (2012) sowie mehrere Folgen der beliebten Serie 4 Frauen und ein Todesfall. Ein guter Grund daher mit dem Regisseur über Unterschiede in der Arbeit für Kino und Fernsehen zu sprechen. Unterschiede gibt es natürlich viele, aber einen für seine Arbeit wichtigen erklärt Murnberger mit der so genannten Genresauberkeit: „Das Fernsehen erfordert, dass man beim Genre bleibt. Wenn eine Komödie angekündigt wird, sollte es auch eine Komödie sein, das Publikum soll hier nicht hinters Licht geführt werden.“ Im Film hingegen wolle das Publikum überrascht werden, erklärt er und sieht darin gleichzeitig auch eine große Chance für die Zukunft des Kinos. Das Fernsehen biete außerdem auch einen direkteren Zugang zum Publikumsverhalten, denn „Sender wissen genau, wann die Zuschauer wegschalten.“

Provokationen

Das Publikum tatsächlich zu erreichen ist Wolfgang Murnberger wichtig, sowohl im Kino als auch im Fernsehen. Er wolle diesen Konsens mit seinem Publikum, „aber genauso wichtig ist mir auch die Provokation.“ Als Beispiel einer solchen Provokation nennt er den filmischen Tod eines Protagonisten im Film Silentium, den Murnberger langsam und qualvoll inszeniert hat. „Die Gewalt wird für den Zuschauer spürbar und nicht ästhetisiert wie in Mainstreamfilmen“, erklärt er, „an dieser Stelle wird der Film plötzlich unangenehm.“

Am Set von "Life is Life"

Am Set von „Life is Life“

Welche Provokationen sich Wolfgang Murnberger für seinen nächsten „Brenner“ einfallen lässt, wird sich bald herausstellen. Denn schon im Frühjahr 2014 beginnt er mit den Dreharbeiten zu seiner vierten Wolf Haas-Verfilmung, die den Titel Das ewige Leben trägt, und die den „privatesten Brenner überhaupt“ zeigen wird.

Text: Doris Piller
Der Artikel ist in der Kunsträume Ausgabe #1-2014 erschienen.